LIDT für Ultrakurzpulslaser
Dies ist der Abschnitt 15.8 des Leitfadens für Laseroptiken.
Bei Ultrakurzpulslasern handelt es sich um gepulste, modengekoppelte Laser, die Pulse mit extrem kurzer Dauer (in der Größenordnung von Femto- oder Picosekunden) und hohen Spitzenleistungen emittieren. Wegen der Fourier-Grenze oder Energie-Zeit-Unschärferelation führen kürzere zeitliche Pulslängen zu einem breiteren Wellenlängenspektrum, sodass ultrakxurze Pulse eine größere Wellenlängenbandbreite im Vergleich zu längeren Pulsen aufweisen (Abbildung 1). Ultrakurzpulslaser sind für viele verschiedene Anwendungen äußerst vorteilhaft, z. B. Hochintensitätsphysik, Materialbearbeitung im Femtosekundenbereich und Laserspektroskopie.1
Abbildung 1: Die Wellenlängenbandbreite von ultrakurzen Laserpulsen ist umgekehrt proportional zur Pulsdauer.
In den letzten Jahren waren durch Ultrakurzpulslaser induzierte Schäden ein heißes Thema in der Forschung, weil die extrem kurze Pulsdauer von Ultrakurzpulslasern zu andersartigen Wechselwirkungen mit optischen Beschichtungen und Komponenten führt als bei anderen gepulsten Lasern. Im Allgemeinen entsteht die Erhitzung von Dünnfilmbeschichtungen nach Bestrahlung mit einem Ultrakurzpulslaser durch einen unausgeglichenen Energietransport. Energie von einfallenden Photonen wird von den Elektronen im Grundzustand absorbiert, sodass es zu einer Besetzung von angeregten Energiezuständen innerhalb weniger Femtosekunden kommt. Diese „heißen“ Elektronen können sich durch Phononen-Elektronenstreuung und Phononen-Phononenstreuung im Zeitraum von einigen Picosekunden wieder zurück in ihren Grundzustand entspannen, sodass eine Umverteilung der Energie in den Beschichtungsmaterialien erfolgt.2, 3 Die Phononen-Elektronenstreuung beschreibt Verzerrungen in den Elektronenwellenfunktionen, die durch Gitterschwingungen verursacht werden, während die Phononen-Phononenstreuung Gitterschwingungen beschreibt, die andere Schwingungen im Gitter hervorrufen (Abbildung 2).
Abbildung 2: Bei der Phononen-Elektronenstreuung handelt es sich um die Energieübertragung zwischen Gitterschwingungen und Elektronen, durch die Elektronen im Gitter umgelenkt werden. Demgegenüber handelt es sich bei der Phononen-Phononenstreuung um die Wechselwirkung mehrerer Gitterschwingungen, durch die neue Phononen entstehen.
Da die Fermi-Verteilung von Elektronen viel schneller erfolgt als die Umverteilung von Elektronen im Gitter, kann die dünne Schicht als Zusammensetzung von zwei sich gegenseitig beeinflussenden Subsystemen – Elektronen und Phononen – beschrieben werden.4 Um die LIDT für Ultrakurzpulslaser zu verstehen, muss der Temperaturanstieg bekannt sein, der durch die Ultrakurzpulsanregung verursacht wird. Die Hot-Carrier-Relaxationsdynamik kann theoretisch berechnet und experimentell mithilfe der Pump-Probe-Spektroskopie mit Ultrakurzpulsen bestätigt werden, mit der Änderungen der optischen Eigenschaften der Prüfoptik als Funktion der Zeit gemessen werden.5, 6
Das thermische Verhalten von Elektronen und Gitter bei Ultrakurzpulslaseranregung kann mit einem Zwei-Temperatur-Modell beschrieben werden, wenn angenommen wird, dass das Elektronen- und Gittersubsystem unabhängig sind und spontan einen Gleichgewichtszustand erreichen. Der theoretische Temperaturanstieg durch Ultrakurzpulsanregung wird mithilfe der gekoppelten Wärmekapazitätsgleichungen bestimmt. Diese lauten:7
- Dabei sind Ce und Cl die Wärmekapazität für das Elektronen- bzw. Gittersubsystem.
- Te und Tl sind die Elektronen- bzw. Gittertemperatur.
- ke ist die thermische Elektronenleitfähigkeit.
- S ist ein Glied für die Erhitzung durch die ultrakurzen Laserpulse abhängig von Zeit (t) und Raum (z).
- G ist die Elektronen-Gitter-Kopplungskonstante gegeben durch:
- me ist die effektive Elektronenmasse.
- ne ist die Elektronendichte.
- cs ist die Schallgeschwindigkeit im Rohmaterial beschrieben als Quadratwurzel des Elastizitätsmoduls über der Dichte ρm.
- τ(Te) ist die Elektronenrelaxationszeit.
Anhand Gleichung 1, Gleichung 2, und Gleichung 3 können Tl und Te als Funktion der Zeit angegeben werden. Abbildung 3 veranschaulicht die theoretischen Werte für Tl und Te berechnet für einen ultrakurzen Laserpuls von 10 fs mit 0,2 J/cm2 bei einer Mittenfrequenz von 800 nm und einem Strahldurchmesser von 120 μm , der auf einen 200 nm dicken Goldnanofilm auf einem Kupfersubstrat trifft. Die Dicke des Goldnanofilms ist wesentlich größer als die optische Eindringtiefe und die Elektroneneindringtiefe in den Nanofilm.
Abbildung 3: Zeitabhängiger Temperaturanstieg von Elektronen (rot) und Gitter (blau) nach der Ultrakurzpulslaseranregung mit einem ultrakurzen Laserpuls von 10 fs mit 0,2 J/cm2 bei einer Mittenfrequenz von 800 nm. Die Erhitzung des Goldnanofilms durch den Temperaturanstieg des Gitters bewirkt einen laserinduzierten Schaden.
Die Elektronentemperatur erreicht schnell extrem hohe Temperaturen (13.000 K). Elektronen-Gitter-Äquilibrierungsprozesse bewirken eine Erhöhung der Gittertemperatur (Tl) bis auf Werte von ca. 1300 K. Tl liegt in der gleichen Größenordnung wie die Schmelztemperatur von Gold (1.337 K), d. h., dass dieser relativ schwache ultrakurze Puls mit einer Fluenz von nur 0,2 J/cm2 bewirkt, dass das Gitter den Schmelzpunkt von Gold erreicht.
Das Nichtgleichgewichtssystem führt die Energie über Elektronen-Phononen- und Phononen-Phononenstreuung ab. Durch eine verzögerte Energieübertragung vom Goldnanofilm auf das umgebende Kupfersubstrat entsteht ein zusätzlicher Energiedissipationskanal. Der Anstieg der Gittertemperatur erreicht außergewöhnlich hohe Temperaturen, was zu einem laserinduzierten Schaden in der Beschichtung führen kann. Die Kenntnis der ultraschnellen Rethermalisierung nach einer Laseranregung ist für Design und Optimierung von optischen Beschichtungen für Ultrakurzpulslaseranwendungen von entscheidender Bedeutung.
Die theoretische Auswirkung von ultrakurzen Pulsen kann experimentell mithilfe der Pump-Probe-Spektroskopie mit Ultrakurzpulsen, z. B. Ultrakurzpuls-Elektronenbeugung, bestätigt werden. Der Prüfling wird mit einem Ultrakurzpuls-Pumpstrahl angeregt, während ein Sondenstrahl geringerer Leistung die Änderung der Intensität der Elektronen beobachtet, die vom Prüfling – verursacht durch den Nichtgleichgewichtszustand – gebeugt werden (Abbildung 4). Die Änderung der Elektronenbeugungsintensität als Funktion der Zeitverzögerung zwischen der Ankunft der Pulse im Pump- und Sondenstrahl gibt Aufschluss über die Elektronen-Gitter-Dynamik.8 Diese Dynamik veranschaulicht die Relaxationsbahnen der angeregten Elektronen, die zur Erhitzung des Nanofilms führen.
Abbildung 4: Die beobachtete Änderung der Beugungsintensität in der Pump-Probe-Spektroskopie hängt direkt vom unausgeglichenen Energietransport durch Ultrakurzpulslaseranregung ab.
Die durch den Ultrakurzpulslaser verursachte Änderung der Beugungsintensität wird durch den Debye-Waller-Effekt beeinflusst und beträgt:
- Dabei ist I(t) die Beugungsintensität zum Zeitpunkt t.
- I0 ist die Anfangsintensität.
- T0 ist die Anfangstemperatur.
- u2 (T) ist die mittlere quadratische Atomverschiebung gegeben als:
- ħ ist die reduzierte Plancksche Konstante oder Plancksche Konstante (h) geteilt durch 2π.
- m ist die effektive Masse der Elementarzelle.
- kB ist die Boltzmann-Konstante.
- θD ist die Debye-Temperatur.
Gleichung 4 und Gleichung 5 beschreiben die Änderung der Beugungsintensität nach einer Laseranregung bei verschiedenen Pump-Probe-Zeitverzögerungen. Die Änderung der Beugungsintensität hängt auch davon ab, ob Sonden- und Pumpstrahl die beschichtete Oberfläche der Optik oder die Grenzfläche zwischen Beschichtung und Substrat beleuchten (Abbildung 5). Die Verzögerungszeit des Systems bis zum Erreichen der Gleichgewichtstemperatur nach einer Ultrakurzpulsanregung ist viel größer als die Dauer des ultrakurzen Pulses. Die Erhitzung des Nanofilms erfolgt im Picosekundenzeitbereich und entsteht durch Äquilibrierung der angeregten Elektronen nach einer Ultrakurzpulslaseranregung.
Abbildung 5: Änderung der Beugungsintensität durch Elektronen-Phononenstreuung und Phononen-Phononenstreuung nach einer Ultrakurzpulsanregung in einem Goldnanofilm (blau) sowie Änderung der Beugungsintensität an der Gold-Kupfer-Grenzfläche durch Energieübertragung vom Goldnanofilm auf das Kupfersubstrat (rot).
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Referenzen
- Mao, S. S. et al., “Dynamics of Femtosecond Laser Interactions with Dielectrics.” Appl. Phys. A 2004, 79, 1695.
- Jiang, L., and H. l. Tsai. “Energy Transport and Material Removal in Wide Bandgap Materials by a Femtosecond Laser Pulse.” International Journal of Heat and Mass Transfer, vol. 48, no. 3-4, 2005, pp. 487–499., doi:10.1016/j.ijheatmasstransfer.2004.09.016.
- Wellershoff, Sebastian S., et al. “The Role of Electron–Phonon Coupling in Femtosecond Laser Damage of Metals.” Appl. Phys. A, vol. 69, Dec. 1999, pp. 99–107.
- Shin, Taeho, et al. “Extended Two-Temperature Model for Ultrafast Thermal Response of Band Gap Materials upon Impulsive Optical Excitation.” The Journal of Chemical Physics, vol. 143, no. 19, 2015.
- Karam, Tony E, et al. “Enhanced Photothermal Effects and Excited-State Dynamics of Plasmonic Size-Controlled Gold–Silver–Gold Core–Shell–Shell Nanoparticles.” J. Phys. Chem, vol. 119, 17 July 2015, pp. 18573–18580., doi: 10.1021/acs.jpcc.5b05110.
- Heilpern, Tal, et al. “Determination of Hot Carrier Energy Distributions from Inversion of Ultrafast Pump-Probe Reflectivity Measurements.” Nature Communications, vol. 9, no. 1, Oct. 2018, doi:10.1038/s41467-018-04289-3.
- Hu, Jianbo, et al. “Ultrafast Lattice Dynamics of Single Crystal and Polycrystalline Gold Nanofilms☆.” Chemical Physics Letters, vol. 683, 2017, pp. 258–261., doi:10.1016/j.cplett.2017.04.021.
- Gedik, Nuh. “Techniques.” Gedik Group, Massachusetts Institute of Technology, 2013, web.mit.edu/gediklab/research.html
More Resources
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