Objektivtypen in der Bildverarbeitung
Dies ist der Abschnitt 6.1 des Leitfadens zur Bildverarbeitung.
In den vorangegangenen sechs Abschnitten des Leitfadens zur Bildverarbeitung haben wir das Verständnis für Bildverarbeitungsobjektive Stück für Stück aufgebaut. Angefangen bei den Grundlagen des Bildwinkels (AFOV) und der Auflösung bis hin zur Modulationsübertragungsfunktion (MTF) und den Variablen, die sich auf die Leistung eines Objektivs auswirken, wurde das grundsätzliche Verhalten eines Objektivs dargelegt. In diesem Abschnitt werden alle Informationen aus den vorangegangenen Abschnitten zusammengeführt, um eine sichere Auswahl eines Bildverarbeitungsobjektivs für ein bestimmtes Bildverarbeitungsproblem zu ermöglichen.
Bildverarbeitungsobjektive sind eine komplexe und differenzierte Komponente in Bildverarbeitungssystemen, und es ist nicht immer klar, welche Entscheidungen bei der Auswahl eines Objektivs zu treffen sind und welche Kompromisse sich aus diesen Entscheidungen direkt ergeben. Die technischen Datenblätter der Objektive variieren von Hersteller zu Hersteller, was den Vergleich erschweren kann. Oftmals ist das Problem jedoch nicht so tiefgehend, sondern es gestaltet sich schon schwierig genug im ersten Schritt die richtige Art des Objektivs zu finden, das zu der Anwendung passt. Ist ein Objektiv mit Festbrennweite die beste Wahl? Wie wäre es mit einem Zoomobjektiv? Oder ein telezentrisches Objektiv?
Dieser Leitfaden zur Objektivauswahl ist in drei Teile gegliedert. Dieser Anwendungshinweis, der den ersten Abschnitt „Objektivtypen in der Bildverarbeitung“ darstellt, beantwortet die Frage: Welche Art von Objektiv brauche ich für meine Anwendung? In diesem Anwendungshinweis werden die Objektive in zwei Kategorien eingeteilt: Objektive mit variabler Vergrößerung und Objektive mit fester Vergrößerung. Sie beschreiben die verschiedenen Arten von Objektiven und ihre Einsatzmöglichkeiten. Der zweite Abschnitt, Objektivauswahl - grundlegende Informationen, erklärt dann, wie man eine fundierte Objektivauswahl trifft, wenn man sich bereits für eine Kamera entschieden hat, was bei vielen Anwendungen der Fall ist. Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der Objektivauswahl und betont, wie wichtig ein Vergleich des benötigten Bildfelds, das durch die Anwendung vorgegeben ist, mit den Bildfeldspezifikationen des Objektivs ist, wenn der Arbeitsabstand oder andere Parameter vorgegeben sind. Der letzte Teil, Objektivauswahl - erweiterte Informationen, erklärt, wie man ein Objektiv zusammen mit der Kamera auswählt, was wichtig ist, wenn die Anwendung in Bezug auf Kosten und Leistung optimiert werden soll. Es geht um Pixel-Mapping und Kontrastwiedergabe von Merkmalen auf der Pixelebene einer Kamera.
Bevor Sie sich mit diesem Abschnitt beschäftigen, sollten Sie die vorangegangenen sechs Abschnitte gelesen haben oder mit der Materie vertraut sein, da hier bereits erarbeitete Konzepte erörtert werden, ohne dass auf den Hintergrund eingegangen wird. Die Kenntnis der vorangegangenen Abschnitte ist für die erweiterten Informationen zur Objektivauswahl besonders wichtig.
Arten von Objektiven mit variabler Vergrößerung
Objektive mit Festbrennweite
Objektive mit Festbrennweite sind unter vielen verschiedenen Namen bekannt: Prime-Objektive (häufig in der Fotografie oder Kinematografie), FA-Objektive (wobei FA für Fabrikautomation steht) oder einfach als Objektive für die industrielle Bildverarbeitung oder Objektive für Industriekameras. Sie sind die gängigsten Objektivtypen in der industriellen Bildverarbeitung. Als Faustregel gilt: Wenn ein Objektiv mit einer einzigen Brennweite bezeichnet wird (z. B. ein 25-mm-Objektiv), handelt es sich in der Regel um ein Objektiv mit Festbrennweite. Wie in den weiterführenden Informationen zu Brennweite und Bildfeld erläutert, haben Objektive mit Festbrennweite einen festen Bildwinkel (AFOV). Diese Objektive können auch bei anderen Arbeitsabständen fokussieren, was meist dadurch erreicht wird, dass alle einzelnen Objektivelemente so zusammengeschoben werden, dass sich der relative Abstand zwischen ihnen nicht verändert.
Abbildung 1 zeigt ein Objektiv mit 75 mm Festbrennweite, das in zwei verschiedenen Entfernungen fokussiert ist. Während sich der Abstand zwischen den einzelnen Elementen beim Fokussieren nicht ändert, variiert der Abstand zwischen der Bildebene und dem letzten Objektivelement sehr stark. Das obere Objektiv ist auf optische Unendlichkeit fokussiert, das untere Objektiv auf einen 200-mm-Arbeitsabstand.
Zu berücksichtigen ist, dass sich echte Objektive mit Festbrennweite immer wie in Abbildung 1 gezeigt verhalten, wobei es auch einige Objektive mit einem „Floating-Element-Design“ gibt. Hier wird beim Fokussieren der Abstand zwischen den einzelnen Linsenelementen angepasst. Diese Abstandsänderung führt zu einer leichten Veränderung der Objektivbrennweite, die aber üblicherweise so gering ist, dass sie nicht zu einer Klassifizierung mit einer anderen Brennweite führt.
Abbildung 1: Ein 75-mm-Doppelgaußobjektiv und fester Brennweite, das auf zwei verschiedene Arbeitsabstände fokussiert ist. Beachten Sie, dass sich die Abstände zwischen den einzelnen Elementen durch Verschiebungen des Arbeitsabstands nicht verändert haben.
Objektive mit Festbrennweite sollten für die überwiegende Mehrheit der Bildverarbeitungsanwendungen verwendet werden, da sie flexibel sind und eine hohe Leistung bieten. Für allgemeine Teileinspektion, Barcodelesen, biometrisches Scannen und Scannen von Dokumenten, Lesen von Nummernschildern und andere Arten von optischer Zeichenerkennung (OCR) oder optischer Zeichenüberprüfung (OCV) sind Objektive mit Festbrennweite in den meisten Fällen am besten geeignet. Der Bildwinkel eines Objektivs mit Festbrennweite ist ein Produkt aus der Brennweite und der Sensorgröße. Je kleiner die Brennweite eines Objektivs ist, desto größer ist sein Bildwinkel. Dies geschieht linear, d. h. ein Objektiv mit 25 mm Brennweite hat einen doppelt so großen Bildwinkel wie ein Objektiv mit 50 mm Bildfeld. Da diese Objektive in verschiedenen Entfernungen fokussiert werden können und unterschiedliche Vergrößerungen haben, werden sie für die Zwecke dieses Dokuments als Objektive mit variabler Vergrößerung eingestuft.
Zoomobjektive
Während Objektive mit Festbrennweite für einen festen Bildwinkel ausgelegt sind, können Zoomobjektive ihre Brennweite und damit ihren Bildwinkel verändern. Zoomobjektive sind ideal für Anwendungen, die ein Höchstmaß an Flexibilität während des Einsatzes und keine hohe Auflösung erfordern; wenn sich das Bildfeld während der Aufnahme nicht aktiv ändern muss, sind sie wahrscheinlich nicht die beste Wahl. In diesem Fall sind Schrittmotoren erforderlich, um die Brennweite schnell und präzise zu verändern.
Zoomobjektive werden mit bestimmten Zoomverhältnissen angegeben, die sich ergeben, wenn man die längste Brennweite durch die kleinste Brennweite eines Objektivs dividiert. Wenn zum Beispiel ein Zoomobjektiv zwischen 8 mm und 48 mm Brennweite variiert, spricht man von einem 6fach-Zoomobjektiv (48 mm/8 mm = 6X). Dies kann auch als Verhältnis ausgedrückt werden: für das oben erwähnte Objektiv wäre dies ein Zoomverhältnis von 6:1.
Abbildung 2 zeigt dasselbe Zoomobjektiv mit zwei verschiedenen Brennweiten. Beachten Sie, dass sich sowohl der relative Elementabstand als auch der Abstand zur Bildebene ändern, obwohl sich der Arbeitsabstand nicht verändert hat. Diese komplizierte Mechanik erhöht die Kosten des Objektivsystems, da präzise Bewegungen erforderlich sind, um gleichzeitig die Brennweite des Objektivs zu verändern und es im Fokus zu halten. Außerdem können Zoomobjektive nicht so hoch auflösen wie preislich vergleichbare Objektive mit Festbrennweite, da die komplexe Mechanik und die optischen Elemente mehrere Aufgaben erfüllen müssen.
Abbildung 2: Ein Zoomobjektiv mit mehreren optischen Vergrößerungen.
Zoomobjektive versuchen nicht nur, die beste Leistung bei einer einzigen Brennweite zu erzielen, sondern müssen auch über einen großen Brennweitenbereich funktionieren, was ihre Gesamtleistung verringert.
Andere interessante optische Eigenschaften können sich als direkte Folge der komplexen Bewegungen in einem Zoomobjektiv ergeben; je nachdem, wie das Objektiv konstruiert wurde, kann sich die Blendenzahl ändern, wenn sich die Brennweite ändert. Diese Art von Design wird normalerweise bei Objektiven für die Fotografie oder Videografie vermieden, bei Objektiven für die industrielle Bildverarbeitung ist dies jedoch oft nicht der Fall. Es ist auch wichtig, sich anhand von Systemdurchsatz, Blende und numerischer Apertur zu vergegenwärtigen, dass sich die Arbeitsblende immer noch ändert, wenn sich die Vergrößerung ändert, was zu unterschiedlichen Belichtungen führt.
Wenn Zoomobjektive ihr Bildfeld verändern, bleiben sie definitionsgemäß im Fokus. Wenn ein Objektiv bei einer Änderung der Brennweite defokussiert wird, spricht man von einem Varifokalobjektiv und nicht von einem Zoomobjektiv. Die Auswahl eines Zoomobjektivs erfolgt in ähnlicher Weise wie bei einem Objektiv mit Festbrennweite, mit dem zusätzlichen Unterschied, dass die Brennweite ein variabler und kein fester Parameter ist, der den Bildwinkel verändert.
Arten von Objektiven mit fester Vergrößerung
Telezentrische Objektive
Telezentrische Objektive sollten immer dann verwendet werden, wenn eine hochgenaue Messung in einem System erfolgen muss. Es handelt sich um hochspezialisierte Objektive mit fester Vergrößerung und vielen leistungsstarken optischen Eigenschaften. Die Funktionsweise und die Vorteile telezentrischer Objektive werden in Abschnitt 4: Telezentrie und perspektivische Fehler eingehend erörtert.
Die Auswahl eines telezentrischen Objektivs wird oft als schwieriger angesehen als die eines Objektivs mit Festbrennweite, obwohl dies meist nicht der Fall ist, wie in Objektivauswahl - grundlegende Informationen gezeigt wird.
Mikroskopobjektive
Mikroskopobjektive werden zur Abbildung sehr kleiner Objekte verwendet, in der Regel mit Vergrößerungen von mehr als 1X. Es handelt sich um Optiken mit fester Vergrößerung, die nur bei einem einzigen Arbeitsabstand richtig funktionieren, der im Vergleich zu anderen Bildverarbeitungsobjektiven im Allgemeinen recht klein ist. Mikroskopobjektive sollten verwendet werden, wenn ein Bild mit hoher Vergrößerung benötigt wird und kleine Arbeitsabstände kein Problem darstellen.
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